Vermögenswerte sind schlafende Ressourcen, die darauf warten, geweckt zu werden. Durch die Aktivierung werden Vermögenswerte auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen. Eine aufwandswirksame Verbuchung ist damit nicht mehr zulässig. Dieser Artikel gibt am Beispiel der Aktivierung eines Lieferwagens einen Überblick über die Thematik.
Wird ein Vermögenswert aktiviert, wird der Wert über die wirtschaftliche Nutzungsdauer in der Erfolgsrechnung abgeschrieben. Im Fall einer Nichtaktivierung wird der gesamte Betrag einmalig in der Erfolgsrechnung erfasst.
Die gesetzliche Definition gemäss Art. 959 Abs. 2 OR regelt die Aktivierungspflicht von Vermögenswerten und die damit verbundene Aktivierbarkeit: «Als Aktiven müssen Vermögenswerte bilanziert werden, wenn aufgrund vergangener Ereignisse über sie verfügt werden kann, ein Mittelzufluss wahrscheinlich ist und ihr Wert verlässlich geschätzt werden kann. Andere Vermögenswerte dürfen nicht bilanziert werden».
Das Gesetz definiert fünf Tatbestandsmerkmale, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit ein Vermögensgegenstand bilanzierungsfähig und somit aktivierbar ist:
Vermögenswert
Ein Unternehmen ist im Besitz von oder verfügt über Vermögenswerte, von denen erwartet wird, dass sie in der Zukunft Geld abwerfen (economic benefits).
Verfügungsmacht
Die Verfügungsmacht bezieht sich nicht auf das rechtliche, sondern auf das wirtschaftliche Eigentum bzw. die faktische Beherrschung.
Vergangene Ereignisse
Bei den vergangenen Ereignissen handelt es sich um Vermögenswerte, die aufgrund vergangener Geschäftsvorfälle oder Ereignisse in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen.
Wahrscheinlicher Mittelzufluss
Für dieses Tatbestandsmerkmal ist die Wahrscheinlichkeit des Mittelzuflusses massgebend. Da das Vorsichtsprinzip zu den Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung gehört, muss die Wahrscheinlichkeit des Zuflusses so gut wie sicher (certain oder virtually certain) sein.
Verlässlich schätzbarer Wert
Insbesondere bei Anschaffungen muss die Schätzung des anzusetzenden Wertes verlässlich und zutreffend sein. Als verlässliche Werte gelten beispielsweise Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Quelle für die fünf Tatbestandsmerkmale: Buch = Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht, Dr. Marco Gehrig
In der folgenden Abbildung sind die Schritte bis zur Aktivierung vereinfacht dargestellt:
Die Aktivierbarkeit gemäss dem Obligationenrecht (OR) bringt Grenzen mit sich. Im Gegensatz zu den anerkannten Standards Swiss GAAP FER und IFRS besteht im OR ein grosser Ermessensspielraum. Es gibt keine klare Definition der Aktivierungsuntergrenze, sprich, ab welchem Betrag ein Vermögenswert zu aktivieren ist. Die Aktivierungsuntergrenze ist in den unternehmensinternen Richtlinien zur Rechnungslegung festzuhalten. Spezifische Bilanzierungsverbote oder Bilanzierungswahlrechte sind im OR ebenfalls nicht ersichtlich. Die in den anerkannten Standards Swiss GAAP FER und IFRS explizit enthaltenen Bilanzierungsverbote können jedoch auch auf das OR übertragen und als Begründung verwendet werden (Quelle).
Zu Schwierigkeiten bei der Aktivierung können auch verschiedene Geschäftsfälle, wie zum Beispiel Erweiterungs- oder Unterhaltsinvestitionen für Maschinen führen. Bei solchen Investitionen in bestehende Sachanlagen ist im Einzelfall zu beurteilen, ob und welcher Betrag aktiviert werden kann und welcher Betrag der Erfolgsrechnung belastet wird. Die Investitionen werden nach Swiss GAAP FER aktiviert, wenn sie den Markt- bzw. Nutzwert nachhaltig erhöhen oder die Lebensdauer wesentlich verlängern (FER 18.5). Aufwendungen für Unterhalt und Reparatur ohne Erhöhung des bisherigen Markt- bzw. Nutzwerts sind zulasten der Erfolgsrechnung zu buchen (FER 18.23) (Quelle).
Je nach Unternehmen gibt es unterschiedliche Bilanzierungsansätze. Eine konservative Bilanzierungsmethode ist der Nichtansatz. Bei dieser Methode wird nichts aktiviert, was nicht aktiviert werden muss. Argumente für diesen Ansatz liegen beispielsweise in der Steuerneutralität des revidierten OR oder dem Vorsichtsprinzip. Ein weiterer Ansatz ist die progressive Methodik. Bei dieser will ein Unternehmen Ausgaben, die nicht eindeutig als Vermögenswert qualifiziert werden können, möglichst aktivieren, um beispielsweise eine Unterbilanz zu beseitigen. Diese Vorgehensweise erfordert eine Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben und zusätzliche Überlegungen (Quelle).
Sachanlagen gehören zu den Anlagevermögen eines Unternehmens und zählen zu den Vermögensgegenständen, die beim geplanten Geschäftsverlauf eine Nutzleistung für mehr als ein Jahr abgeben. Werden sie zum ersten Mal erfasst, sind Sachanlagen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten (Art. 960a Abs. 1 OR). Bei der Folgebewertung (Art. 960a Abs. 2 OR) dürfen die Aktiven nicht höher als zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden. Der nutzungs- und altersbedingten Wertminderung ist durch Abschreibungen und Wertberichtigung Rechnung zu tragen (Art. 960a Abs. 2 OR) (Quelle Absatz: HWP Band 1).
Angenommen, ein Unternehmen namens TechnoLogistics AG entscheidet sich dafür, einen neuen Lieferwagen für seine Logistikabteilung zu erwerben. Dieser kostet 50'000 Franken und wird verwendet, um Produkte an Kundinnen und Kunden zu liefern. Der Lieferwagen wurde vom Hersteller am 31. März 2023 geliefert, innerhalb von 30 Tagen bezahlt und ist im Besitz der TechnoLogistics AG.
Durch die Aktivierung werden Vermögenswerte auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen. In diesem Fall wird der Wert über die wirtschaftliche Nutzungsdauer in der Erfolgsrechnung abgeschrieben. Eine aufwandswirksame Verbuchung des gesamten Betrages ist damit nicht mehr zulässig. Das OR regelt die Aktivierungspflicht und die damit verbundene Aktivierbarkeit von Vermögenswerten. Im OR besteht grundsätzlich ein grosser Ermessensspielraum. In gewissen Fällen muss einzeln beurteilt werden, ob und welcher Betrag zu aktivieren ist.