27.05.2016
Die Verschärfungen in der Veranlagungspraxis und bei der Verrechnungssteuer sowie das OECD-Projekt BEPS machen das Thema Steuern für grosse und kleinere Unternehmen auch in Zukunft nicht einfacher. Dem Fiskus werden sie Mehreinnahmen bescheren – bezahlen werden diese «Zechen» aber vor allem die Unternehmer.
Seit einigen Jahren verschärfen viele Kantone ihre Veranlagungspraxis. Häufig werden – insbesondere bei natürlichen Personen – «Kleinstaufrechnungen» vorgenommen, welche vorher über Jahre hinweg akzeptiert worden sind. Der Aufwand, Einsprache gegen «Kleinstaufrechnungen» zu machen, lohnt sich häufig nicht, insbesondere wenn man für die Einsprache eine Drittperson beauftragen möchte.
Positiv zu bewerten ist jedoch die Tatsache, dass die Steuerbehörden weiterhin daran interessiert sind, Steuertatbestände vorgängig zu besprechen und deren Steuerfolgen mittels einem Steuerruling zu bestätigen. Insbesondere bei Umstrukturierungen, Sanierungen, Nachfolgeregelungen etc. ist dieses Vorgehen empfehlenswert, da die Steuerfolgen vor der effektiven Umsetzung besprochen werden und das Einverständnis schriftlich eingeholt werden kann. Bei den Steuerrulings ist es wichtig, den entsprechenden Sachverhalt und das beabsichtigte Vorgehen offenzulegen. Die Umsetzung nach Zustimmung seitens der Steuerbehörde sollte dem beschriebenen Vorgehen entsprechen.
Obwohl sich das Verrechnungssteuergesetz in keiner Art und Weise verändert hat, verschärfte die ESTV ihre Praxis massiv. Eine Praxisänderung war nicht angebracht, da die Rückerstattung der Verrechnungssteuer basierend auf dem Verrechnungssteuergesetz bis dato klar und eindeutig geregelt war und die Verrechnungssteuer ihren ursprünglichen Zweck als Sicherungssteuer vollumfänglich erfüllte.
Vor allem für Unternehmer kann die Praxisverschärfung seit 2011 zu einer grossen Steuerbelastung führen. Vor der Praxisverschärfung wurden geldwerte Leistungen (z.B. private Ferien über die Firma bezahlt) auf Ebene der Gesellschaft aufgerechnet und beim Aktionär als zusätzliches Einkommen besteuert. Theoretisch wäre auf der geldwerten Leistung die Verrechnungssteuer geschuldet gewesen. Da es sich bei der Verrechnungssteuer um eine Sicherungssteuer handelt und sämtliche Steuern bezahlt worden sind, erfolgte in aller Regel keine Erhebung der Verrechnungssteuer.
Neu werden die Kantone «verpflichtet», bei sämtlichen Aufrechnungen von geldwerten Leistungen eine Meldung an die ESTV zu machen. Die ESTV entscheidet dann, ob auf der geldwerten Leistung die Verrechnungssteuer erhoben wird oder nicht. Der Empfänger der geldwerten Leistung hat sodann die Verrechnungssteuer von 35?% zu entrichten (falls er dies nicht tut und die Gesellschaft die Verrechnungssteuer bezahlt, ist 53?% geschuldet; Umrechnung ins Hundert).
Die Bezahlung ist allerdings noch nicht das Problem. Dieses liegt darin, ob der Unternehmer die Verrechnungssteuer zurückerstatten lassen kann. Falls er privat bereits definitiv veranlagt ist, verwirkt die ESTV die Rückerstattung, da die Einkünfte in der privaten Steuererklärung nicht deklariert waren. Selbst wenn er noch nicht definitiv veranlagt ist, besteht die Gefahr, dass die ESTV die Rückerstattung verwehrt (keine Deklaration, Steuerumgehungstatbestand?).
Die OECD publizierte einen Katalog mit 15 Massnahmen, um mit Hilfe internationaler Koordination gegen «legale» Steuervermeidungen vorzugehen. BEPS wird nicht nur Auswirkungen auf Grosskonzerne haben, sondern auch auf mittelständische internationale Unternehmungen.
Zu jeder Massnahme erstellte die OECD einen separaten, sehr umfassenden Bericht. Heute ist es schwierig vorauszusagen, welche Massnahmen letztlich umgesetzt und insbesondere wie die Mitgliedsstaaten (z.B. die Schweiz) diese umsetzen werden. Es besteht jedoch die grosse Gefahr, dass der administrative Aufwand für die Unternehmen aufgrund von BEPS grösser wird und die Politik ein weiteres Mal versucht, strukturell in die internationale Wirtschaft einzugreifen.
Für die Schweiz wird BEPS ebenfalls Auswirkungen haben, da sie als steuergünstiger Standort bisher von Gewinnverschiebungen internationaler Konzerne eher profitiert hat. Weiter konnten Berater wie Treuhänder, Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer für solche Gesellschaften Leistungen erbringen («Panama Papers Leaks» lässt grüssen).
Um weiterhin ein attraktiver Standort zu bleiben und unter Berücksichtigung des internationalen Drucks hat die Schweiz mit der Unternehmenssteuerreform III bereits teilweise reagiert. So werden Privilegien wie das Holdingprivileg, Domizilgesellschaften und gemischte Gesellschaften abgeschafft. Es sieht so aus, als ob die Kantone ihre Gewinnsteuersätze senken werden, was den Schweizer KMU endlich auch einmal zugute käme.
Aus der Optik eines Steuerberaters ist die gegenwärtige Situation sehr spannend. Aufgrund der Verschärfung in der Veranlagungspraxis und der neuen Praxis der ESTV betreffend Verrechnungssteuer kriegen Unternehmer ihre Steuerprobleme oft nicht mehr selber in den Griff. Der internationale Druck führt dazu, dass Umstrukturierungen vorzunehmen sind und eine Lageprüfung inwieweit die heutigen Standorte noch Sinn machen, zu erstellen ist.
Die Optik des Unternehmers ist jedoch eine andere. Er muss sich vermehrt mit der «Steuersache» befassen und vorgängig abklären lassen, inwieweit bei einer Transaktion ein Verrechnungssteuerproblem auftauchen könnte.
Mit BEPS soll erreicht werden, dass die Unternehmen «gläsern» werden und der Fiskus sämtliche Informationen erhält. Viele werden jetzt sagen: «Geht mich nichts an, da wir nur in der Schweiz tätig sind». Es könnte aber in die Richtung gehen, dass der Schweizer Fiskus aufgrund des Gleichheitsgebots die gleiche «Gläsernheit» der nationalen Unternehmer erhalten möchte. Die Steuern bleiben spannend fast spannender als ein guter Krimi.