23.01.2020
Die Schweiz ist für ausländische Unternehmen im grenznahen Gebiet ein lukrativer Markt. Auch viele Firmen mit Konzernstrukturen halten Tochterfirmen in der Schweiz. Was viele Unternehmen nicht wissen: Für Kurzeinsätze in der Schweiz besteht eine Meldepflicht; in einzelnen Branchen bereits ab dem ersten Tag. Das Nichtbeachten dieser Pflicht kann zu Sanktionen führen.
Seit 2002 ist zwischen der Schweiz und den EU-Staaten das Abkommen über Personenfreizügigkeit in Kraft. Dieses garantiert Staatsangehörigen der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich das Recht, Arbeitsplatz und Aufenthaltsort innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen.
Im Juni 2004 hat die Schweiz zudem flankierende Massnahmen eingeführt, die im Laufe der Zeit angepasst und überarbeitet wurden.
Das Prozedere für Kurzeinsätze bis zu 90 Arbeitstage wurde liberalisiert, es besteht nur noch aus einer Meldepflicht. Wichtig ist, dass diese Pflicht sowohl für die entsendete Person als auch für das Entsendeunternehmen gilt. Die verfügbaren 90 Tage pro Entsendeunternehmen beziehen sich dabei auf die effektiven Arbeitstage pro Kalenderjahr, in denen mindestens ein Arbeitnehmer entsendet wird. In welchen Unternehmen und wie viele Personen gleichzeitig entsendet sind, spielt dabei keine Rolle. Dieser Punkt ist für die Planung der Einsätze von zentraler Bedeutung. Bei längerfristigen Arbeitseinsätzen bedarf es nach wie vor einer Arbeitsbewilligung. Die Tätigkeiten eines Entsendeunternehmens sind nur zu melden, wenn acht Arbeitstage pro Jahr überschritten werden.
Davon ausgenommen sind folgende Branchen, die ihre Arbeitseinsätze bereits ab dem ersten Tag melden müssen:
In diesen Branchen muss jeder Arbeitseinsatz einzeln und mindestens acht Tage vor Arbeitsbeginn gemeldet werden. Der Arbeitgeber kann für eine Entsendung in die Schweiz ein Konto im Online-Meldeverfahren des Staatssekretariats für Migration eröffnen (www.sem.admin.ch). Bei Nichteinhaltung der Voranmeldefrist von acht Tagen können Geldbussen von bis zu 5'000 Franken ausgesprochen werden. Bei schweren Verstössen oder im Wiederholungsfall droht sogar eine Dienstleistungssperre.
Für jede berufliche Tätigkeit, die vorübergehend im Ausland ausgeführt wird, ist zwingend die Entsendebescheinigung A1 einzuholen. Dies gilt für in und aus der Schweiz entsendete Mitarbeitende gleichermassen. Das Dokument bescheinigt, dass der Inhaber nur in dem Land, welches das Formular A1 ausgestellt hat, Sozialversicherungsbeiträge entrichten muss.
Arbeitnehmer, die gewöhnlich in zwei oder mehr Staaten eine Beschäftigung ausüben, unterliegen den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil (mehr als 25%) ihrer Tätigkeit ausüben (Wohnsitzprinzip).
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die gesetzlichen Bestimmungen des Schweizer Arbeitsrechts, die bei solchen Einsätzen zwingend eingehalten werden müssen. Überdies verfügen viele Branchen über einen allgemeingültigen Gesamtarbeitsvertrag (Landesmantelvertrag), der das Arbeitsrecht präzisiert. Für die Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge, speziell die dort definierten Mindestlöhne, sind paritätische Kommissionen (PK) zuständig. Im Bereich Entsendung haben tripartite Kommissionen (TPK) die Aufgabe, Lohndumping dort zu verhindern, wo keine Gesamtarbeitsverträge in Kraft sind. Die Aufsicht über die TPK und die PK obliegt dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).
Die Praxis zeigt, dass sich kantonale Arbeitsinspektorate vermehrt mit Kontrollen bemerkbar machen, die je nach Kanton variieren. Die Inspektorate kontrollieren die Einhaltung der Vorschriften zu Arbeits- und Ruhezeiten sowie zum Gesundheitsschutz. Wichtig zu beachten ist, dass die entsendeten Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten dokumentieren, damit Arbeits- und Ruhezeiten im Falle von Kontrollen belegt werden können.
Ein deutsches Malerunternehmen entsendet seinen Mitarbeiter Herr Mustermann für einen zweitägigen Malerauftrag in die Schweiz. Dieses Jahr hat weder das Malerunternehmen noch Herr Mustermann Aufträge in der Schweiz ausgeführt. Die Personalverantwortliche des Unternehmens hat sich vorgängig über das Thema informiert und ihr ist bewusst, dass im zum Baunebengewerbe gehörenden Malergewerbe ab dem ersten Tag eine Meldepflicht gilt.
Da Herr Mustermann in Deutschland wohnt und dort auch einen wesentlichen Teil seiner Arbeit verrichtet (über 25%), hat er in Deutschland eine Entsendebescheinigung A1 angefordert. Er darf seine Arbeitstätigkeit in der Schweiz erst aufnehmen, wenn er im Besitz dieses Formulars ist.
Von einem Schweizer Kollegen hat Herr Mustermann erfahren, dass im Baunebengewerbe ein allgemeingültiger Gesamtarbeitsvertrag aktiv ist. Er informiert seine Vorgesetzten, dass er für die beiden Tage höher entlohnt werden müsse. Die Basis dafür bieten der GAV und die darin enthaltenen Mindestlöhne. Kurz vor Arbeitsbeginn schaltet sich nochmals die Personalabteilung ein. Sie drückt Herr Mustermann zwei Stundenrapportzettel in die Hand, da sie erkannt hat, dass es in der Schweiz obligatorisch ist, die Arbeitszeiten zu dokumentieren. Nun steht dem Einsatz nichts mehr im Weg. Das Beispiel zeigt, dass sich auch kleinere Unternehmen die Chance auf die Erschliessung neuer Märkte im nahen Ausland nicht nehmen lassen sollten. In Anbetracht der gesetzlichen Hürden ist es aber sinnvoll, vorgängig kompetente Beratung einzuholen.
Alle Unternehmen, von KMU bis zu Grossunternehmen, müssen sich fragen, ob ihr Dienstleistungsangebot Landesgrenzen überschreitet. Ist dies der Fall, sind viele Faktoren zu beachten. Die Meldepflicht für kurzfristige Arbeitseinsätze ist hierbei nur ein Aspekt. Ein verlässlicher Partner kann dabei helfen, den Überblick zu behalten. Als Erinnerungshilfe für die Meldepflicht merken Sie sich die Zahlen 8-90-8:
8) Ab acht Arbeitstagen pro Kalenderjahr besteht eine Meldepflicht.
90) Bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr gilt das vereinfachte Verfahren.
8) Mindestens acht Tage vor dem Einsatz muss die Meldung erfolgt sein.