01.03.2016
BGE 4A_395/2015, Urteil vom 2. November 2015 (im Vergleich zum BGE 123 III 469 E.3.b, Urteil vom 18. November 1997)
Der Arbeitnehmerin und Klägerin wurde nach knapp zehn Monaten fristlos gekündigt, nachdem festgestellt worden war, dass beim Arbeitszeiterfassungssystem (bestrittene) Manipulationen vorgenommen wurden. Danach entstand zwischen den Parteien ein Streit über die Zulässigkeit der fristlosen Entlassung und die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin machte einerseits Lohn- und Entschädigungsansprüche wegen ungerechtfertigter fristloser Kündigung und anderseits Ansprüche aus positivem Gleitzeitsaldo geltend.
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz betreffend die fristlose Kündigung, weil die Manipulation des Arbeitszeiterfassungssystems ein schwerwiegender Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers darstelle.
Betreffend den positiven Gleitzeitsaldo verneinte die Vorinstanz noch einen Anspruch für die geltend gemachten Stunden aus dem Zeitguthaben. Sie begründete den Entscheid unter anderem mit dem Hinweis auf BGE 123 III 469, wonach der Arbeitnehmer dafür Verantwortung trage, dass positive Gleitzeitsaldi innert der ordentlichen Kündigungsfrist abgebaut werden können und dass somit geleistete Mehrarbeit entschädigungslos verfalle, wenn der Abbau der überschrittenen Sollzeit aufgrund des Umfangs nicht mehr möglich sei.
Das Bundesgericht hingegen folgte der Meinung der Vorinstanz in diesem Punkt nicht. Es ist der Auffassung, der Sinn der Gleitzeit liege darin, dass der Arbeitnehmer im Rahmen des Gleitzeitsystems selber bestimmen könne, die Soll-Arbeitszeit zu unter- oder zu überschreiten. Es liege dann zwar im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, fristgerecht für einen Ausgleich der Mehrarbeit zu sorgen, um nicht ein derartiges Ausmass des Gleitzeitsaldos zu erreichen, dass er nicht innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist wieder ausgeglichen werden könne. Jedoch bestünde im Fall der fristlosen Kündigung für den Arbeitnehmer keine Möglichkeit mehr, den Gleitzeitsaldo abzubauen, was nach Auffassung der Vorinstanz bedeuten würde, dass überhaupt nie Anspruch auf die geleistete Mehrarbeit bestünde. Somit wäre im Falle der fristlosen Kündigung die Rechtsprechung aus BGE 123 III 469 E.3.b nicht anzuwenden.
Quelle: HR Today, Ausgabe 3/2016