BGE 4A_72/2015, Urteil vom 11. Mai 2015
Der Arbeitnehmer arbeitete seit September 2008 auf mündlicher, ab Oktober 2008 auf schriftlicher Vertragsbasis als Simulatorpilot im Stundenlohn, wobei der Arbeitnehmer berechtigt war, vorgeschlagene Einsätze abzulehnen. Am 14. Juni 2013 kündigte der Arbeitnehmer den Vertrag auf den 31. Juli 2013. Als Basisstundenlohn vereinbarten die Parteien ursprünglich CHF 40.80, der im Verlauf des Arbeitsverhältnisses schrittweise auf CHF 53.45 erhöht wurde. Zusätzlich wurde neben dem Anteil am 13. Monatslohn ein Anteil für Ferien von 8.33% sowie 4% für Feiertage vereinbart. Auf den monatlichen Lohnabrechnungen wurde der Ferienlohnanteil jedoch nicht ausgewiesen.
Der Arbeitnehmer machte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses CHF 16'463.35 für Ferienlohn geltend. Die Vorinstanzen bejahten den Anspruch des Arbeitnehmers und auch das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzlichen Entscheide aus den nachstehenden Gründen. Für die Ferien sind dem Arbeitnehmer gestützt auf Art. 329d Abs. 1 OR der gesamte darauf entfallende Lohn sowie eine angemessene Entschädigung für Naturallohn zu entrichten. Nach Art. 329d Abs. 2 OR dürfen die Ferien während des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden (Abgeltungsverbot). Dieses Abgeltungsverbot ist absolut zwingend.
Bei unregelmässigen Beschäftigungen ist es zulässig, von diesem Abgeltungsverbot abzuweichen. Das Bundesgericht hat im vorliegenden Fall die Frage offengelassen, ob es sich um eine unregelmässige Beschäftigung handelte, da die zwingenden formalen Voraussetzungen für die Abgeltung des Ferienlohnanspruchs nicht erfüllt waren. Als zwingende formale Voraussetzungen verlangt das Bundesgericht für die Abgeltung von Ferien mit dem laufenden Lohn, dass der Ferienlohnanteil auf den einzelnen schriftlichen Lohnabrechnungen ausgewiesen wird und im Fall eines schriftlichen Arbeitsvertrags eine entsprechende schriftliche Regelung. Wenn die Arbeitgeberin diesen Erfordernissen nicht nachkommt, riskiert sie die Nach- resp. Doppelzahlung des entsprechenden Ferienlohns. Denn der Arbeitnehmer soll selbst bei einer klaren Vertragsregelung nicht im Unklaren gelassen werden, ob der ausbezahlte Lohn nur für die Arbeitsleistung oder auch für den Anspruch auf Ferienlohn gilt, damit nicht die Gefahr eines vorzeitigen Verbrauchs des Feriengelds entsteht.
Der Arbeitgeberin half deshalb im vorliegenden Fall auch die Berufung auf Rechtsmissbrauch (Art. 2 ZGB) durch den Arbeitnehmer nicht. Zwar wusste er aufgrund der vertraglichen Regelung, dass der Ferienlohn in seinen Lohnzahlungen inbegriffen gewesen war und dass die Lohnabrechnungen ungenügend waren. Aber die Arbeitgeberin unterliess es während Jahren, die Lohnabrechnungen korrekt auszugestalten, obwohl der Arbeitnehmer bereits 2009 auf diesen Mangel hingewiesen hatte.
Quelle: HR Today, Ausgabe 1/2 | 2017
Isabel Kuttler, lic. iur. HSG Rechtsanwältin, arbeitet in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.