Urteil des Kantonsgerichts Graubünden, 16. September 2014
Die Y AG (Beklagte) als Hotel hat für die Wintersaison 2012/2013 eine Stelle als «Réceptionist (m/w)» inseriert. Am 4. Oktober 2012 hat sich Frau X (Klägerin) für diese Stelle beworben. Daraufhin teilte ihr der Direktor des Hotels mit, dass «in der Zwischenzeit schon genügend Damen an der Rezeption eingestellt» worden seien und nun «nur noch Herren» gesucht würden. Im November 2012 und Dezember 2012 hat sich Frau X noch zwei weitere Male erfolglos bei der Y AG beworben.
Im Juni 2013 reichte Frau X beim Bezirksgericht Plessur Klage wegen Geschlechterdiskriminierung ein und verlangte eine Entschädigung von drei Monatslöhnen à CHF 4'100.–. Mit Entscheid vom 28. Januar 2014 stellte das Bezirksgericht eine Verletzung des Anstellungsdiskriminierungsverbots gemäss Art. 3 GIG infolge der Ablehnung von Frau X durch die Y AG fest. Frau X wurde eine Entschädigung von CHF 1'000.– infolge leichter Fahrlässigkeit der Y AG zugesprochen.
Mit Berufung ans Kantonsgericht Graubünden im April 2014 forderte Frau X erneut eine Entschädigung von drei Monatslöhnen à CHF 4'100.– bzw. eventualiter einen Monatslohn à CHF 4'100.–. Sie machte geltend, dass bei leicht fahrlässiger Diskriminierung ein Genugtuungsanspruch von mindestens einem Monatslohn bestehe, da bei schwerwiegender Diskriminierung ein Maximalanspruch von drei Monatslöhnen (Art. 5 Abs. 4 GlG) gelte.
Das Kantonsgericht Graubünden wies die Berufung mit der Begründung ab, dass es sich bei der Entschädigung gemäss Art. 5 Abs. 4 GIG nicht um eine Genugtuung, sondern um einen eigenständigen Anspruch handle, der zwar eine Genugtuungsfunktion erfülle, daneben aber auch Strafcharakter habe. Vorliegend bestehe kein Anspruch auf eine höhere Entschädigung, weil die Y AG auch Frauen an der Rezeption beschäftigen würde. Folglich wollte die Y AG Frauen im Anstellungsprozess nicht systematisch benachteiligen. Zudem handle es sich nicht um eine besonders herabwürdigende bzw. demütigende Diskriminierung. Die Absage erfolgte ohne weitere diskriminierende Spezifizierung nur mit der Begründung, dass bereits genügend Damen an der Rezeption eingestellt seien. Dem Gericht stehe es frei, eine Entschädigung zuzusprechen, die weniger als einen Monatslohn betrage, da der Gesetzgeber keine Untergrenze festgelegt habe. Die Entschädigung von CHF 1'000.– sei daher im vorliegenden Fall angemessen.
Quelle: HR Today, Ausgabe 7/8 | 2016